„Ich möchte genauso viel wie andere Azubis verstehen. Da bin ich Perfektionistin.“ – Pegah packt die Ausbildung an.

Alina (A): Hallo Pegah, schön, dass Du heute da bist, um über Deinen Weg zu erzählen. Was machst Du zurzeit?

Pegah (P): Hallo Alina! Seit dem 01.09. mache ich meine Ausbildung zur Elektronikerin für Betriebstechnik bei den Stadtwerken Kiel und ich freue mich darüber.

A: Beschreib bitte Deinen Ausbildungsort.

P: Insgesamt haben wir drei verschiedene Ausbildungsfächer im Betrieb: Elektronik, Industriemechanik und den kaufmännischen Bereich. In jedem Fach gibt es neun Auszubildende.

A: Ich erinnere mich daran, dass Du am Anfang Befürchtungen wegen der Arbeit mit mehreren männlichen Kolleg_innen hattest.

P: Ja, erst habe ich gedacht, dass es sehr schwierig sein wird in der „Männerdomäne“ zu arbeiten, aber nach fünf Monaten Praktikum habe ich gesehen, dass es kein Problem ist. Alle waren und sind immer hilfsbereit und sehr nett. Außerdem haben wir jetzt noch eine Auszubildende bekommen. Ich bin also nicht mehr alleine!

A: Wie verlief Dein Bildungsweg in Deinem Herkunftsland Iran?

P: Ich habe in meinem Heimatland allgemeine Physik im Bachelor und Atomphysik im Master studiert.

A: Wurde Dein Abschluss in Deutschland anerkannt?

P: Ja, mein Abschluss wurde anerkannt. Jetzt habe ich einen gleichwertigen Abschluss zum Bachelor of Science Physik in Deutschland. Die Unterlagen zur Anerkennung habe ich nach Bonn geschickt.

A: Warum hast Du Dich für diesen Ausbildungsberuf entschieden? Was gefällt dir daran?

P: Physik und Mathematik waren schon immer meine Lieblingsfächer. In Deutschland habe ich versucht, eine meinem Studium entsprechende Ausbildung zu finden. Meine Wahl fiel auf die Ausbildung zur Elektronikerin, da Physik und Mathematik in diesem Bereich eine große Rolle spielen.

A: Wie sieht Dein typischer Tag im Betrieb aus?

P: Es gibt keinen typischen Tag bei den Stadtwerken. Es ist immer sehr abwechslungsreich. Eine Sache passiert jedoch jeden Morgen: wir setzen uns an einen großen Tisch in unserer Werkstatt. Dieser Tisch heißt „Insel“. Dann kommt unser Meister und spricht über den Tagesablauf und unsere Aufgaben für den Tag. Es ist auch die Zeit, in der wir Neuigkeiten und Aktuelles besprechen. Es ist nie langweilig. Wir haben immer etwas zu tun und zu lernen. Darüber hinaus bleiben wir immer in Bewegung, da die Stadtwerke ein großes Unternehmen sind und wir manchmal von einem Gebäudeflügel zum anderen laufen müssen, um unsere Aufgaben zu erledigen.

A: Welche Aufgaben übernimmst Du denn genau als Auszubildende?

P: Wir haben verschiedene Aufgaben. Im ersten Jahr machen wir Basisaufgaben und lernen das Handwerk, dazu gehört auch Feinarbeit, wie z.B. Leiter- und Drahtbiegen. Unsere erste Aufgabe war z.B. Ösen zu biegen. Als Erstes haben wir verschiedene Drahtarten mit verschiedenen Durchmessern abisoliert und sie dann gebogen. Es ist wichtig, alle Aufgaben nach Formeln zu erledigen. Man muss alles ganz fein ausrechnen, bevor man mit der Praxis anfängt. Die Formeln lernen wir in der Berufsschule, beim RBZ Technik.

A: Kannst Du mehr über den Alltag in der Berufsschule erzählen?

P: Da lernen wir zunächst die Theorie im Hörsaal und anschließend gehen wir ins Labor. Ab und zu recherchieren wir selbständig im Internet und halten Vorträge zu verschiedenen Themen vor anderen Azubis. Im Wesentlichen geht es darum, die Theorie zu lernen, um sie dann im Betrieb in die Praxis umzusetzen.

A: Weißt du schon was Dich im zweiten Ausbildungsjahr erwartet?

P: Ich habe ein bisschen darüber gelesen und ein bisschen rumgefragt. Ab dem 2. Ausbildungsjahr sind alle Azubis verteilt in unterschiedliche Fächer, in unterschiedliche Abteilungen. Mehr Gedanken mache ich mir darüber nicht. Unser Meister sagt, wir sollen in die Werkstatt der höheren Ausbildungsjahre nicht reingehen, weil unser Kopf sonst zu voll wird. Ich finde es auch besser so. Schritt für Schritt zu lernen, ist für mich viel einfacher. In zwei Jahren habe ich meine Zwischenprüfung. Die Abschlussprüfung erfolgt dann in 3,5 Jahren. Man kann die Ausbildung auch verkürzen. Wenn alle Noten nach 3 Jahren sehr gut sind und alle Praxisarbeiten sehr gut geschrieben sind, kann man die Ausbildung um sechs Monate verkürzen.

A: Du hast schon viel über die eigentliche Ausbildung erzählt. Könntest Du etwas über den Bewerbungsprozess erzählen? War er schwierig?

P: Als Erstes habe ich mich um eine Einstiegsqualifizierung bei den Stadtwerken bemüht. Damals musste ich alle meine Dokumente und Zeugnisse über die Online-Bewerbung hochladen und abschicken. Nach einiger Zeit habe ich die Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen.

A: Wie sah das Vorstellungsgespräch aus?

P: Herr Jörg Homfeldt, unser Ausbildungsmeister, war dabei und einige andere Personen. Man hat mir ein paar Fachfragen gestellt und einige persönliche Fragen. Die meisten Fachfragen waren ziemlich leicht, z.B. wie viel Spannung eine Steckdose hat. Nach dem Vorstellungsgespräch hat man mich noch zum Einstufungstest eingeladen.

A: Welche Fragen kamen im Einstufungstest?

P: Der Test war in drei Themenbereiche aufgeteilt: logisches Denken, Mathematik und Deutsch, alle Aufgaben auf Zeit. Mathe und logisches Denken habe ich mit großem Erfolg bestanden, aber mit Deutsch sah die Sache anders aus. Obwohl ich C1-Deutschniveau habe, waren manche Aufgaben sehr schwierig für mich. Davon habe ich auch Herrn Homfeldt erzählt. Ich habe ihm versichert, dass ich im Laufe der Einstiegsqualifizierung und hoffentlich der anschließenden Ausbildung mein Deutsch sicherlich verbessern werde, da ich viel Berührung mit den Deutschen und mit deutschsprachiger Literatur haben werde. Er hatte Verständnis dafür und hat meine Einstiegsqualifizierung genehmigt. Ich bedanke mich bei ihm dafür, dass er mir eine Chance gegeben hat.

A: Was ist dann weiter passiert?

P: Nach einigen Monaten Einstiegsqualifizierung musste ich mich entscheiden, ob ich mit der Ausbildung bei den Stadtwerken anfangen möchte oder nicht. Der Betrieb war bereit, mich als Auszubildende zu übernehmen. Selbstverständlich habe ich zugesagt.

A: Wie ist die Arbeitsatmosphäre bei den Stadtwerken Kiel?

P: Die Stadtwerke sind ein sehr gutes Unternehmen und versuchen ihre Mitarbeiter_innen in allem zu unterstützen: sei es in der täglichen Arbeit oder auch außerhalb. Wenn man Nachhilfe in einem bestimmten Fach braucht, kriegt man Nachhilfe. Für uns organisiert man Fortbildungen und spezielle Veranstaltungen, z.B. vor kurzem das Gehirntraining mit Kinetik. In unserer Freizeit können wir den Betriebssport in Anspruch nehmen. Man kann für einen kleinen Betrag im Jahr praktisch fast alle gängigen Sportarten ausüben: z.B. Tanz, Tischtennis, Fußball usw. Daher kann ich sagen, dass die Arbeitsatmosphäre davon nur profitiert und dass alle Kolleg_innen zusammenhalten.

A: Welche Schwierigkeiten gab es und gibt es auf Deinem Weg?

P: Die Hauptschwierigkeit ist die Sprache. Wir lernen so viele Fachbegriffe! Ich möchte genauso viel wie andere Azubis verstehen. Da bin ich Perfektionistin. Das bedeutet für mich z.B., dass ich doppelt so viel arbeiten muss. Mehr lesen und schreiben als alle anderen. Wenn meine Kommiliton_innen nur fünf Minuten dafür brauchen, um ihre wöchentlichen Tätigkeitsberichte zu schreiben, brauche ich dafür zwei-drei Stunden. Schließlich bin ich die einzige Person mit Migrationshintergrund unter den Azubis, aber alle sagen mir, dass ich es schaffe. Das motiviert mich!

A: Was möchtest Du noch unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?

P: Ich möchte mich bei Dir, Alina, der KAUSA Servicestelle und der Türkischen Gemeinde für Eure Unterstützung und Beratung bedanken. Frau Sybilla Thum-Rüffer vom Senior Experten Service, die ich dank KAUSA kennengelernt habe, hat mich sehr bei der erweiterten Berufsorientierung unterstützt. Ein großes Dankeschön möchte ich außerdem an Thomas Bieringer von der AWO Räucherei richten. Er hat mir sehr bei der Erstellung und Korrektur meiner Bewerbungsunterlagen geholfen.
Letzen Endes möchte ich Eines anderen Geflüchteten sagen: wenn man ein Ziel hat, sollte man keine Angst haben, Unterstützung zu suchen und auch selbst aktiv zu sein. Dann bekommt man zu 100 Prozent positive Ergebnisse!


Interview mit Pegah am 11.10.2018

A: Alina Berezovska, Interviewerin, Mitarbeiterin der KAUSA Servicestelle Kiel
P: Pegah, Geflüchtete, Auszubildende zur Elektronikerin für Betriebstechnik

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